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Es klang einleuchtend, wurde aber meist nicht gehört. Schon im November 2016 sagte Claudia Buch, die damalige Vizepräsidentin der Bundesbank, in einem Interview: „Wenn die Zinsen wieder steigen, könnten viele Finanzierungsmodelle ins Wanken geraten.“
Es klang einleuchtend, wurde aber meist nicht gehört. Schon im November 2016 sagte Claudia Buch, die damalige Vizepräsidentin der Bundesbank, in einem Interview: „Wenn die Zinsen wieder steigen, könnten viele Finanzierungsmodelle ins Wanken geraten.“ Damals hatten die Zinsen für zehnjährige Baudarlehen bisher unbekannte Tiefstwerte um die 1,6 Prozent erreicht, ein Jahr zuvor waren sie erstmals unter die Zwei-Prozent-Marke gefallen.
Inzwischen hat sich Buchs Prophezeiung bewahrheitet. 2022 beendeten die Zentralbanken abrupt die Niedrigzins-Ära. Zunächst gerieten etliche Bauunternehmen in Schieflage, doch jetzt drohen auch Immobilienkäufer in die Zinsfalle zu tappen: Wer vor zehn Jahren einen Baukredit zu Traumzinsen abgeschlossen hat und nun das Ende einer zehnjährigen Zinsbindungsfrist erreicht, muss den Kredit zu deutlich höheren Kosten verlängern.
„Viele haben damals gedacht: Kaufen ist so billig wie Mieten, wenn nicht noch billiger“, sagt Günter Vornholz, Immobilienökonom und langjähriger Beobachter der Baufinanzierungsmärkte. Für ein paar hundert Euro Zinskosten pro Monat konnte sich fast jeder den Traum vom Eigenheim erfüllen. Und auf die immer schneller steigenden Immobilienpreise reagierten manche, indem sie einfach den Tilgungsanteil herunterschraubten, in der Hoffnung, später mehr Luft für eine schnellere Rückzahlung zu haben. „Wer hat ehrlicherweise damit gerechnet, dass 2022 die Zinswende kommen würde?“, fragt Vornholz.
Jetzt wird die Generation Niedrigzins mit fast doppelt so hohen Zinskosten konfrontiert, muss Anschlusskredite in Höhe von vier statt bisher zwei Prozent abschließen. Statt 900 Euro monatlich werden für einen 300.000-Euro-Kredit inklusive Tilgung plötzlich mehr als 1400 Euro fällig, wie eine Rechnung des Kreditvermittlers Interhyp für eine typische Finanzierung zeigt.
Die Ausmaße der anstehenden Refinanzierungswelle sind gewaltig. Das zeigt eine erst vor wenigen Tagen veröffentlichte Untersuchung der Unternehmensberatung Simon-Kucher: „Allein zwischen 2026 und 2031 sollen Anschlussfinanzierungen im Volumen von 555 Milliarden Euro neu verhandelt werden“, heißt es da. Erstmals seit Jahrzehnten würden sich viele Kunden im Rahmen der Anschlussfinanzierung finanziell spürbar verschlechtern. „Noch nie war die Zinsspanne zwischen Erst- und Anschlussfinanzierung so groß“, so Jonathan Schöck, Senior Manager bei Simon-Kucher, der die Untersuchung für regionale Banken und Sparkassen anfertigte.
Finanzierungsberater sehen den Zinssprung zwar noch relativ gelassen, empfehlen aber, sich rechtzeitig mit der Laufzeitverlängerung zu befassen. „Mit Beginn der Niedrigzinsphase vor zehn Jahren haben die meisten Kreditnehmer strategisch klug gehandelt und längere Zinsbindungsfristen vereinbart“, sagt Stefan Vogelsang, Spezialist für Baufinanzierung beim Kreditvermittler Dr. Klein. Die Mehrheit habe 15-jährige Fristen gewählt. „Ich erwarte deshalb die Prolongationswelle eher in Richtung 2030“, so der Experte. „Gleichwohl gibt es natürlich Kunden, die eine Zinsbindung von zehn Jahren vereinbart haben“ – und die jetzt die Zinstreppe nach oben klettern müssen.
Um in ernsthafte Schwierigkeiten zu geraten, müssen für Kreditnehmer allerdings mehrere Aspekte zusammentreffen: „Neben einer deutlichen Zinsdifferenz außerdem eine bisher geringe Tilgungshöhe und damit hohe Restschuld und ein gleichbleibend niedriges Einkommen“, sagt Vogelsang. Dass das alles zusammenkomme, sei nach seiner persönlichen Beobachtung eher selten, zumal es in den vergangenen Jahren viele hohe Lohnabschlüsse gegeben habe. „Es ist aber nicht ausgeschlossen.“ Auch Immobilienökonom Vornholz betont die Bedeutung der inzwischen deutlich höheren Einkommen. Doch parallel seien eben auch die Lebenshaltungskosten gestiegen, sodass in vielen Haushalten unter dem Strich trotzdem nicht viel mehr Luft für die Hypothek übrig bleibe.
Immerhin kommt den Anschlussfinanzierern ein Faktor zugute: Die lange Niedrigzinsphase, steigende Baukosten und hohe Nachfrage haben ihre Immobilien wertvoller gemacht. Im bundesweiten Durchschnitt stiegen die Preise seit 2015 laut Statistischem Bundesamt um 55 Prozent, in größeren Städten sogar noch stärker, in vielen ländlichen Regionen und bei unsanierten Häusern weniger deutlich. Für die Bedingungen des Anschlusskredits wird nun dieser neue Wert zugrunde gelegt. Ein Rechenbeispiel: Eine damals 400.000 Euro teure Immobilie ist heute 550.000 Euro wert. Vom 100-Prozent-Kredit wurden bisher lediglich 70.000 Euro getilgt. Trotzdem wird man für die Restschuld in Höhe von 330.000 Euro jetzt Top-Zinsen bekommen: Wer nur 60 Prozent des Beleihungswertes finanzieren muss, bekommt meist gute Konditionen, laut Vergleichsportal Verivox aktuell etwa 3,3 Prozent effektiv. Wichtig: Die Banken setzen keine geschönten Preise von Immobilienmaklern an, sondern konservativ ermittelte Verkehrswerte.
Wie läuft eine Prolongation konkret ab? Normalerweise meldet sich das finanzierende Institut einige Monate vor Ablauf der Zinsbindungsfrist schriftlich beim Kunden, kündigt das Ende der Zinsbindungsfrist an und unterbreitet ein Angebot für eine Laufzeitverlängerung, mit einer Annahmefrist von 14 Tagen. Wer gar nichts unternimmt, begeht einen schweren Fehler – dann läuft der Kredit zwar weiter, aber nicht mit einem fest vereinbarten Zins, sondern als variables Darlehen. Steigen die Zinsen also erneut, wird es noch teurer.
Das Angebot für einen Anschlusskredit sollten die Betroffenen aber ebenfalls nicht einfach annehmen, raten Finanzierungsberater. „Nach meiner Erfahrung sind das nicht die besten Konditionen, die Institute setzen auf einen gewissen Trägheitseffekt ihrer Kunden“, sagt Dr.-Klein-Experte Vogelsang. In der Annahme, dass die Kreditnehmer den bequemen Weg wählen, setzt man den Zins also etwas höher an. Das Argument des bisherigen Darlehensgebers lautet dann häufig: Ein Wechsel des Instituts erzeuge unnötige neue Kosten – Gebühren bei der neuen Bank, Kosten für einen neuen Grundbucheintrag und eine neue Bonitätsprüfung. Alles zusammen können das bis zu 1500 Euro sein.
Vogelsang widerspricht: „Ein Vergleich lohnt sich immer, und oft auch ein Wechsel des Anbieters. Schon bei einem Zinsunterschied von 20 oder 30 Euro monatlich hat man die Kosten für eine Umschuldung in überschaubarer Zeit wieder eingespielt.“ Julian Birk, Leiter des Prolongationsmanagements bei Interhyp, rät dazu, frühzeitig zu handeln: „Wir raten jedem, dessen Anschlussfinanzierung in drei oder weniger Jahren ansteht, sich jetzt beraten zu lassen und die eigenen Möglichkeiten zu prüfen.“ Viele Banken würden gerade für Neukunden extra attraktive Konditionen anbieten. Und eine neue Bonitätsprüfung erzeuge zwar Aufwand, könne aber ebenfalls einen Vorteil bringen, wenn in der Zwischenzeit das Haushaltseinkommen gestiegen ist. Die alte Bank lässt das unter Umständen unter den Tisch fallen.
Birk empfiehlt aber auch, die verbleibenden Jahre bis zur Anschlussfinanzierung zu nutzen: „Gibt es vielleicht eine Sondertilgungsoption, die bisher wenig oder gar nicht genutzt wird? Für diese Einmalzahlungen können Bonuszahlungen oder Schenkungen innerhalb der Familie verwendet werden, und man reduziert die Restschuld ganz unmittelbar.“
Ebenfalls bedenken sollten Kreditnehmer, dass ein höherer Zins nicht nur schlecht ist. Denn durch den Annuitäteneffekt wird der Zinsanteil innerhalb der Monatsrate im Laufe der Jahre durch einen schrittweise steigenden Tilgungsanteil ersetzt. Ein höherer Zins läuft also automatisch auf eine höhere Tilgung hinaus. Laut Dr. Klein können zwei Prozentpunkte mehr Zins die Rückzahlung im Standardfall um bis zu zehn Jahre verkürzen. Eine Beispielrechnung von Interhyp zeigt außerdem: Springt der Zins nach zehn Jahren Zinsbindungsfrist plötzlich um zwei Prozentpunkte nach oben – so wie jetzt –, wird sich ein bisher teures Darlehen mit knapp 3,7 Prozent Zins weniger stark verteuern als ein bisher billiger Kredit mit 1,7 Prozent.
Wichtig ist zudem, dass bei jeder Anschlussfinanzierung die Annuitäten-Uhr zurückgedreht wird, man beginnt wieder mit dem „anfänglichen Tilgungssatz“ von beispielsweise zwei Prozent. Das gilt übrigens auch für die Prolongation bei der bisherigen Bank. Der dort abgeschlossene Anschluss-Kreditvertrag unterliegt der gleichen Mechanik wie ein neuer Vertrag bei einer neuen Bank – ein weiteres Argument für einen Wechsel zu einem günstigeren Anbieter.
Michael Fabricius, Welt am Sonntag
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