• Von der Redaktion Business Insider DE
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Black Young Woman Explaining Sales Growth Plan To A Diverse Team

Freelancer liefern dringend benötigte Expertise und Flexibilität, ohne die viele junge Unternehmen nicht überleben könnten, meint Seriengründer Carsten Puschmann. Die Einstufung von Freelancern als Scheinselbstständige gefährden Existenzen und behindern Startups. Rechtliche Rahmenbedingungen müssen die dynamischen Anforderungen moderner Arbeitsmärkte anerkennen.

 

Wie wichtig sind Freelancer für Startups? Lasst mich das klarstellen: enorm wichtig.

 

Startups, in ihren frühen Stadien oft kaum mehr als ein paar Menschen mit großen Ideen und wenig Ressourcen, sind die Speerspitze der Innovation. Freelancer bieten diesen jungen Unternehmen die Flexibilität, das Fachwissen und in vielen Bereichen auch die Seniorität, die sie dringend benötigen, um die kritische Übergangsphase vom Traum zum Geschäftsmodell zu bewältigen. Mit ihrer Erfahrung können sie einem Team oft neue Perspektiven aufzeigen. Auf jeden Fall liefern sie Know-How on demand.

 

Genau diese lebenswichtige Mechanik der Innovation wird von deutschen Sozialgerichten schwer beschädigt. Ihre Urteile bedrohen die Existenz von Freelancern und damit den Motor, der so viele Startups am Laufen hält. Wenn aktuell ein Laden wie Engel & Völkers – aufgrund seiner Zusammenarbeit im freiberuflichen Maklern – in den Fokus der Staatsanwaltschaft rückt, dann verbreitet das Angst.

 

Engel & Völkers machte 2024 aber über eine Milliarde Umsatz, die können sich wehren. Startup-CEOs werden dagegen sehr vorsichtig werden. Und nicht wenige werden sich einer wichtigen Ressource berauben: der Freelancer.

 

Die Bedeutung von Freelancern

 

Sie springen da ein, wo Qualifikation und Ressourcen fehlen. Ein Startup bekommt mal eben den IT-Spezialisten für das aktuelle Projekt, den Marketingspezialisten für den Produktlaunch oder den Buchhalter für die Jahresabschlüsse. Ein festangestelltes Team in dieser Größe und Vielfalt aufzubauen, ist für die meisten Startups weder finanziell noch organisatorisch möglich. Und natürlich setze ich Freelancer ein, damit sie Teil der Leistungskette sind. Ich kaufe ihre Leistung ein und nicht ihre nette Gesellschaft.

 

Für das Bundessozialgericht ist aber genau das inzwischen das entscheidende Kriterium der Scheinselbständigkeit, nämlich ob Freelancer in irgendeiner Form Teil der Leistungskette sind. Nicht mehr, wie und mit welcher Frequenz jemand in einen Betrieb eingebunden ist. Und daraus leiten sich umfangreiche Konsequenzen ab.

 

Um rechtssicher zu sein, müsstest du den Freelancer für dein Projekt fest anstellen. Startups haben die dafür nötige Planungssicherheit aber oft noch überhaupt nicht. Die daraus resultierenden Kosten und Bürokratie überfordern kleinere Startups.

 

Die Urteile basieren auf Vorstellungen von Arbeitsverhältnissen, die schon längst nicht mehr den aktuellen Arbeitsrealitäten entsprechen. Hier droht eine Kollision: Ein konservatives Verständnis von Schutzvorschriften gegen die dynamischen Anforderungen moderner Arbeitsmärkte. Das hat Folgen.

 

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln hat in der Zeit vom 24. Juli bis zum 18. September 2023 eine Online-Umfrage unter 6.00 Selbstständigen durchgeführt. Das Ergebnis schockiert: Über ein Drittel der Selbstständigen (36 Prozent) denkt über einen Umzug ins Ausland nach. Zusätzlich ziehen mehr als ein Viertel (27 Prozent) in Erwägung, ihre selbständige Tätigkeit aufzugeben.

 

Insgesamt sind somit mehr als die Hälfte (52 Prozent) bereit, nicht länger selbstständig am deutschen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Viele dieser Personen sind in der IT-Branche tätig, darunter Berater und Software-Entwickler. Wir machen unseren Fachkräftemangel schon selbst!

 

Die Auswirkungen auf Startups

 

Was bedeutet das für die Praxis? Startups, die jetzt schon jeden Euro zweimal umdrehen müssen, werden zu Maßnahmen gezwungen, die sie in ihrer Agilität und Innovationsfähigkeit einschränken. Die weitere Verlagerung von Projekten ins Ausland wird die Folge sein. Deutsche Startups, die auf einem globalen Markt bestehen müssen, verlieren gegenüber Wettbewerbern aus anderen Ländern, die nicht mit solchen Hindernissen konfrontiert sind.

 

Die Lösung: Moderne Regeln für moderne Arbeit

 

Niemand braucht einen Haufen UX/Ui-Designer in der Altersarmut. Das ist klar. Aber wenn wir uns schon nicht auf Eigenverantwortung verlassen wollen, brauchen wir eine Neubewertung und Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen, die anerkennen, wie wertvoll flexible Arbeitsmodelle sind.

 

Anstatt die Existenz von Freelancern durch restriktive Urteile zu bedrohen, sollten wir neue, moderne Rechtsstrukturen entwickeln, die sowohl Sicherheit bieten als auch Innovation und Flexibilität fördern. Das forderten im Übrigen sowohl die SPD, die CDU und die FDP sowieso. Passiert ist in dieser Richtung seit 2019 aber nichts.

 

Carsten Puschmann ist Seriengründer und Startup-Investor. In seiner Rolle als Brückenbauer zwischen Family Offices und Startups fokussiert er sich auf Wachstum und Innovation. Er ist Speaker und außerdem Gastdozent der Hochschule Fresenius.

Quelle

Business Insider DE

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