• Von der Redaktion Laura Pomer, techbook.de
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Elementary School Science Classroom: Teacher Educates Smart Litt

Digitale Technologien prägen den Alltag immer jüngerer Menschen. Inzwischen kommt die Künstliche Intelligenz (KI) auch in Schulen zum Einsatz. KI-gestützte Tools sollen das Lernen personalisieren und Lehrkräfte entlasten; Schüler nutzen sie auch selbst zum Recherchieren, Lernen und Bearbeiten von Hausaufgaben. Doch vielleicht erinnern Sie sich noch: Vor wenigen Jahren standen Bildungseinrichtungen den damals ganz neuen Technologien extrem ablehnend gegenüber und verboten deren Verwendung strikt. Heutzutage werden sie dagegen (zumindest von vielen Erwachsenen) nahezu inflationär genutzt. TECHBOOK geht der Frage nach, wie viel Potenzial KI für Schüler wirklich birgt – oder ob sie womöglich mehr Schaden anrichtet.

Macht die KI Menschen bzw. Schüler schlauer – oder eher dumm?

Nutzen Sie KI, um sich Aufgaben im Alltag oder bei der Arbeit zu erleichtern? Das tun viele Menschen. Kein Wunder, können Bots komplizierte Sachverhalte in Sekundenschnelle aufschlüsseln und beispielsweise umfangreiche Texte zusammenfassen. Genau hier lauert allerdings eine gewisse Gefahr. Die einfache Nutzung dieser hilfreichen Technologien könnte nämlich dazu verleiten, ihre Dienste ständig in Anspruch zu nehmen. Dadurch würde, vereinfacht gesagt, nur noch ein Mindestmaß an eigener Denkleistung benötigt.

Vielleicht haben Sie sich schon einmal dabei ertappt, ChatGPT oder die Google-KI etwas zu fragen, was Sie sich eigentlich selbst hätten beantworten können, wenn Sie nur einige Sekunden nachgedacht hätten. Auch die Forschung beschäftigt sich mit der Frage, ob die KI, die uns eigentlich bereichern und Vorteile bringen soll, den Menschen – salopp gesagt – in Wahrheit vielleicht dumm macht. Das Thema ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund interessant, dass KI auch immer häufiger in Schulen zum Einsatz kommt.

Laut Studie schränkt KI Fähigkeit zum kritischen Denken ein

„Use it or lose it“ – auf Deutsch etwa „benutze es oder es geht verloren“ – ist ein Prinzip, das auch über die Medizin hinaus in vielerlei Hinsicht greift. Im Sport bezieht es sich gemeinhin auf Muskeln, die verkümmern, wenn man sie nicht regelmäßig trainiert. Auch ist es sicher nicht überraschend, dass Gedächtnistraining dem geistigen Verfall entgegenwirken kann. Das Gegenteil tut, wer jede kleine Denkaufgabe an die KI abgibt, statt sie selbst zu lösen. Die Wissenschaft spricht hierbei vom sogenannten „kognitiven Offloading“ (= „kognitives Auslagern“), und dieses kann offenbar die Fähigkeiten zum kritischen Denken einschränken, wie bereits eine Studie zeigte.

Die Untersuchung wurde an einer Forschungseinrichtung der Swiss Business School durchgeführt. 666 britische Probanden verschiedener Altersgruppen (17 bis 25, 26 bis 45 und 46+) und Bildungsniveaus nahmen daran teil. Das verantwortliche Forscherteam händigte ihnen Fragebögen aus, um zu ermitteln, wie oft in welchen Bereichen Denkaufgaben an die KI ausgelagert wurden. In einem weiteren Testteil überprüften sie die kognitiven Leistungen der Probanden. Bei der Auswertung erwies sich eine häufige KI-Nutzung als ein „geistiges Faulheitsprogramm“ – entsprechende Probanden erzielten auffällig schlechtere Ergebnisse.

Können Schüler unter Anleitung von KI-Nutzung profitieren?

Die Ergebnisse eines Pilotprojekts im nigerianischen Edo stellen sich etwas anders dar. Dort hatten 800 zufällig ausgewählte Oberstufenschüler – unter Anleitung von Lehrern, dies scheint ein wesentlicher Punkt zu sein – eine generative KI in Nachmittagskursen ergänzend zum Englischunterricht verwendet. Ein anschließender Vergleich mit Schülern, die dies nicht getan hatten, brachte in der KI-Gruppe deutlich bessere Leistungen sowohl in Englisch als auch im Bereich digitaler Kompetenzen hervor. Besonders Mädchen hatten von ihrem KI-Förderungsunterricht profitiert.

Noch eine Studie, und wieder ein etwas anderes Ergebnis. Ein internationales Forscherteam hat den Einfluss generativer KI auf das menschliche Lernen im Mathematikunterricht an einer Highschool untersucht. Dabei kam entweder ein einfacher ChatGPT-ähnlicher Tutor oder eine Version mit eingebauten Lernhilfen zum Einsatz. Beide Varianten verbesserten zunächst die Leistungen deutlich – der spezialisierte Tutor sogar besonders stark. Problematisch wurde es etwas später: Wurde den Schülern der Zugang zur KI entzogen, schnitten sie schlechter ab als jene, die nie mit KI gearbeitet hatten. Offenbar hatten sie sich zu sehr auf die KI als „Krücke“ verlassen.

Zusammenfassend ziehen die Studienautoren dennoch ein positives Fazit. KI könne das Lernen fördern, sie müsse aber auf eine Weise eingesetzt werden, die eigene Denk- und Übungsprozesse nicht ersetzt.

KI bietet Schülern Potenzial, unter bestimmten Bedingungen

Forscher der Universitäten Potsdam und Augsburg haben zum Thema „KI in der Schule” eine Handreichung für das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) erarbeitet. Die Autoren haben dabei eng mit Bildungspraktikern zusammengearbeitet, um eine fundierte Einschätzung zu dem Thema zu geben, die als Anleitung für den Einsatz von KI-Tools im Unterricht betrachtet werden kann.

Der Beitrag gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der Diskussion zu KI in Schulen aus wissenschaftlicher und praktischer Sicht. Auf Basis empirischer Beobachtungen und bisheriger Forschungsergebnisse sind die Autoren von Potenzialen der KI für Bildungsprozesse überzeugt. Nicht zuletzt glauben sie an „Entlastungspotenziale für Lehrkräfte“. Sie weisen allerdings auch auf mögliche „problematische Konsequenzen“ hin. Diese drohen demnach, wenn Schüler Lernaufgaben vollständig an die KI auslagern, anstatt sie selbst zu lösen.

Noch kein abschließendes Fazit möglich

Der Effekt sei stark kontextabhängig und durch Studien nicht ausreichend abgesichert. Dennoch kommen die Fachleute zusammenfassend zu der Empfehlung, KI-Technologien in Schulen gezielt und informiert einzusetzen. Und damit sind auch solche gemeint, die ursprünglich gar nicht für den Bereich Bildung entwickelt wurden, also etwa ChatGPT und vergleichbare generative Tools. Auch sie könnten die Recherche, Textproduktion oder Problemlösungsprozesse unterstützen. Gleichermaßen gilt: Nicht jede KI-Anwendung eignet sich für jeden Zweck und ihr Einsatz sollte regelmäßig überprüft werden.

Lehrkräfte müssen sowohl über die Chancen als auch über die möglichen Risiken aufgeklärt sein, und zwar auf Basis stets aktueller Forschungsergebnisse, um die Werkzeuge sinnvoll in den Unterricht einzubinden. Nur so seien Bildungserfolg und eigenständiges Denken zu gewährleisten. Hierfür sei es unabdingbar, dass Schüler Medienkompetenz und einen kritischen und reflektierten Umgang mit der KI lernen. Schulen können Lehrkräfte durch Handreichungen, Leitfäden oder Fortbildungen unterstützen, so die Autoren.

Noch ist es nicht möglich, eine evidenzbasierte Aussage darüber zu treffen, ob KI-Anwendungen das eigenständige Denken von Schülern schwächen. Auch gibt es nicht ausreichend Studien, um das Gegenteil zu belegen: dass sie sie fördern.

Quelle

Laura Pomer, techbook.de

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