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Die Baugenehmigungen gehen weiter zurück. Gründe sind hohe Kosten und strenge Vorschriften. Im Sektor wächst der Frust, denn auch die Novelle des Baugesetzbuchs schafft kaum die erhoffte Abhilfe.
Der Wohnungsbau in Deutschland bleibt in der Dauerkrise. Im 1. Halbjahr wurde laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) der Bau von 106.700 Wohnungen genehmigt. Das waren 21,1 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Allein im Juni gab es einen Rückgang um 19 Prozent auf 17.600 Wohneinheiten. Betrachtet man einen längeren Zeitraum, fällt der Rückgang weitaus drastischer aus. Laut Destatis schrumpften die Genehmigungen gegenüber Juni 2022 sogar um mehr als 42 Prozent. Hohe Finanzierungs- und Baukosten gelten weiterhin als die größten hemmenden Faktoren.
In der Bau- und Immobilienbranche wächst allerdings auch der Frust darüber, dass Bund, Länder und Gemeinden an strengen Regeln festhalten oder sogar immer schärfere Auflagen im Hinblick auf Klimaschutz machen. Auch die von der Bundesregierung vorgelegte Baugesetzbuch-Novelle werde das nicht wesentlich ändern, heißt es.
Ein näherer Blick auf die Genehmigungszahlen zeigt auch, dass vor allem private Häuslebauer zunehmend handlungsunfähig geworden sind: Bei neuen Einfamilienhäusern fällt der Genehmigungs-Rückgang im ersten Halbjahr mit fast 31 Prozent besonders hoch aus.
Das könnte einerseits daran liegen, dass immer weniger Grundstücke für neue Eigenheime zur Verfügung gestellt werden. „Das führt in der Konsequenz auch dazu, dass potenzielle Eigenheimbauer weiter in ihren Mietwohnungen bleiben, und diese somit nicht für andere Mieterinnen und Mieter frei werden“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Tim Oliver Müller.
Ein weiterer Grund sind die hohen Finanzierungskosten, die sich viele Durchschnittsverdiener nicht mehr leisten können. So meldete der Kreditvermittler Dr. Klein diese Woche, dass der durchschnittliche Tilgungssatz bei Baukrediten auf 1,71 Prozent gesunken sei. Das habe es seit 13 Jahren so nicht gegeben.Mit einer geringen Tilgungsquote, so Dr. Klein, könnten die Kreditnehmer die monatliche Rate aus Zins und Tilgung noch stemmen. Was im Umkehrschluss aber auch bedeutet: Die Kunden nehmen immer längere Schuldenphasen in Kauf.
„Größte Belastung sind die historisch starken Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank der vergangenen beiden Jahre“, sagt Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.„Die Wohnungsnot in den deutschen Ballungsgebieten wird damit absehbar anhalten. Aufgrund deutlicher Zuwanderung ist in vielen Großstädten der Wohnraum knapp, und die aktuelle Bauaktivität ist zu gering, um dieses Problem zu mildern“, so Dullien weiter. „Eine Trendwende beim deutschen Wohnungsbau ist frühestens im späteren Jahresverlauf 2025 zu erwarten, wenn die EZB die Zinsen spürbar gesenkt hat.“
Die Bau- und Immobilienbranche setzte einige Hoffnung auf die Novelle des Baugesetzbuchs, die seit einigen Tagen im Umlauf bei den Verbänden ist. Diese Hoffnungen scheinen aber enttäuscht worden zu sein, wie die ersten Reaktionen zeigen. „Als 2015 Flüchtlinge nach Deutschland kamen, wurden Sonderregeln geschaffen“, sagt Iris Schöberl, Präsidentin des Branchen-Dachverbands ZIA. „Genau die braucht es jetzt wieder.“
Konkret müssten Sonderregeln im Paragrafen 246, die eine vereinfachte Freigabe von Bauland für Flüchtlingsunterkünfte möglich machten, „auf Mietwohnungsbau ausgeweitet werden“, meint Schöberl.Fachleute in den Ministerien haben monatelang an neuen Bauregeln gearbeitet, doch am Ende wurde an vergleichsweise kleinen Stellschrauben gedreht. So könnten die Gemeinden laut Gesetzentwurf künftig das Aufstocken oder Erweitern von Wohngebäuden erlauben, ohne den Bebauungsplan ändern zu müssen.
Außerdem soll das „Bauen in zweiter Reihe“ schneller genehmigt werden können, was allerdings in den meisten Fällen darauf hinausläuft, dass in großzügigen Hausgärten ein weiteres Einfamilienhaus entstehen darf. Wenn ein neuer „B-Plan“ nötig ist, soll der „im Regelfall“ zwölf Monate „nach Ende der Beteiligungsverfahren“ veröffentlicht werden. Und Umweltberichte sollen nicht mehr so lang ausfallen.Das allerdings sind schon die wesentlichen Punkte. Auf der anderen Seite kommen neue Klima-Vorschriften hinzu, etwa die Möglichkeit für Gemeinden, eine Dachbegrünung vorzuschreiben, oder auch zusätzliche Versickerungsflächen und -Anlagen für Starkregenereignisse.
Genau solche Vorschriften würden den Neubau noch weiter verteuern, schreibt der Bundesverband freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) in einer ausführlichen Stellungnahme. In dem Verband sind viele Projektentwickler organisiert. Die Behauptung, dass Bauherren später im Betrieb einer Immobilie Geld sparen würden, weil weniger Schäden aufträten, müsse aus dem Gesetz gestrichen werden.
Auch sonst überwiegt die Kritik. „Die Beschränkung der Länge des Umweltberichts ist lediglich eine Sollvorschrift. Es ändert sich auch nichts an den Vorschriften über den Umfang und Detaillierungsgrad der Umweltprüfung und dem einzuhaltenden Prüfprogramm“, heißt es in der Stellungnahme. Zudem sei die „Öffentlichkeitsbeteiligung“ kaum eingeschränkt. Hinter dem Begriff stecken häufig Verbände, die auf dem Klageweg versuchen, Bauprojekte zu stoppen.
„Es ist nicht erkennbar, dass sich das Verwaltungsverfahren substanziell verändert und beschleunigt“, kritisiert der BFW die Baugesetz-Novelle. „Ebenso wenig ist erkennbar, dass die Neufassung zu einer Vermeidung von Klageverfahren beitragen kann.“ Außerdem gebe es für Baupläne schon heute vereinfachte Verfahren, nur würden viele Gemeinden diese gar nicht nutzen.
„Die angestrebten gesetzlichen Änderungen reichen bei Weitem nicht aus, um den notwendigen kräftigen Investitionsimpuls bei unseren sozial orientierten Unternehmen auszulösen“, sagt Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW. In dem Verband sind vor allem kommunale und genossenschaftliche Gesellschaften organisiert.
„In einer aktuellen Umfrage berichten zwei Drittel unserer Unternehmen, dass sie in diesem Jahr gar keine neuen Wohnungen bauen können. 2025 werden es sogar 70 Prozent sein, die nicht bauen können“, berichtet Gedaschko. Der Verbandspräsident warnt bereits seit Monaten vor dem sozialen Sprengstoff, den die massive Zuwanderung hinein in die städtischen Regionen mit sich bringt. „Die Regierung muss erkennen, dass sich hier ein immer größeres Frustpotenzial quer durch alle Bevölkerungsschichten aufbaut, und endlich gegensteuern“, so Gedaschko.
Die Bauvorschriften müssten radikal geändert werden. Gedaschko schlägt jetzt einen „absoluten Abwägungsvorrang für den Bau von Wohnungen“ vor, solange es eine Mangelsituation gebe. Ein Bauvorrang wäre übrigens nichts Neues. Es gibt ihn bereits, betont der Verbandschef, allerdings nicht für Wohnungen, sondern für Solaranlagen und Windräder.
„Wir sind der Überzeugung, dass in der jetzigen Situation der Regierung und dem Parlament der Bau von Wohnungen mindestens genauso wichtig sein sollte wie der bevorzugte Bau von Windrädern.“ Das Baugesetzbuch müsse so gestaltet werden, dass das „Bauen von Wohnungen gegenüber anderen Belangen regelmäßig im Vordergrund steht“.
DIE WELT
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