Update zum Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz)

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Am 17. Juli 2023 hatte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) einen Referentenentwurf (RefE) eines Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness, kurz das Wachstumschancengesetz, veröffentlicht. Nach einigen politischen Diskussionen hat nunmehr das Bundeskabinett am 30. August 2023 den Regierungsentwurf des Wachstumschancengesetzes beschlossen.

Der Regierungsentwurf ist noch einmal einige Seiten länger als der bisherige Entwurf des BMF und hat damit einen Umfang von 282 Seiten mit einer Vielzahl an Steuerart übergreifenden Maßnahmen zur Förderung der deutschen Wirtschaft. Im Wesentlichen hat die Bundesregierung die Vorschläge des BMF übernommen, aber auch teilweise noch einmal weitergehend modifiziert.

Das grundsätzliche Inkrafttreten des Wachstumschancengesetzes ist für den 1. Januar 2024 geplant.

Im Folgenden möchten wir Ihnen ein Update zur aktuellen Entwicklung seit unserem letzten Blogbeitrag vom 11. August 2023 geben und wir haben dabei den Fokus dieses Blogbeitrags auf ausgewählte Aspekte des Wachstumschancengesetzes, die von aktueller Entscheidungsrelevanz für anstehende Investitionen sein könnten oder sich im Vergleich zum bisherigen Referentenentwurf geändert haben, gelegt.

Steuerliche Förderungen im Bereich des Klimaschutzes und der Forschungszulage

  • Für die Anschaffung oder Herstellung von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens oder für entsprechende Maßnahmen die zu nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten führen, sollen Unternehmen eine Investitionsprämie i. H. v. 15 %, begrenzt auf maximal 30 Mio. EUR, der Anschaffungskosten erhalten, sofern bestimmte energetische Voraussetzungen erfüllt werden. Gegenüber dem Referentenentwurf ist nach dem Regierungsentwurf die Anzahl der Förderanträge auf maximal vier Anträge erhöht und der Förderzeitraum um zwei Jahre verlängert worden (vom Tag nach der Gesetzesverkündung bis zum 31. Dezember 2029). Die Investitionsprämie wird auf Antrag des Anspruchsberechtigten gewährt, soweit die Bemessungsgrundlage mindestens 10.000 EUR (RefE: 50.000 EUR) beträgt. Der Mindestbetrag für eine förderfähige Investition wurde auf 5.000 EUR abgesenkt (RefE: 10.000 EUR).
  • Die bereits bestehende Forschungszulage im so genannten Forschungszulagengesetz (FZulG) soll modernisiert und erweitert werden. Für Wirtschaftsjahre ab dem 1. Januar 2024, soll die Forschungszulage auf in begünstigten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben genutzte abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die für die Durchführung des Forschungs- und Entwicklungsvorhabens erforderlich und unerlässlich sind, ausgeweitet werden. Der förderfähige Anteil der Kosten für Auftragsforschung soll von 60 % auf 70 % ansteigen. Des Weiteren soll die förderfähige Bemessungsgrundlage von derzeit 4 Mio. EUR auf 12 Mio. EUR dauerhaft verdreifacht werden. Nach dem Regierungsentwurf soll nunmehr die Eigenleistung des Einzelunternehmers mit 70 EUR je Arbeitsstunde statt bisher 40 EUR je Arbeitsstunde berücksichtigungsfähig sein. Der Regierungsentwurf sieht für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) außerdem eine erhöhte Forschungszulage von 35 % (regulär: 25 %) vor.

Verbesserungen der steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten

  • Befristete Wiedereinführung der degressiven Abschreibung: Bewegliche Wirtschaftsgüter mit einem Anschaffungszeitpunkt zwischen dem 1. Oktober 2023 (!) und dem 31. Dezember 2024 können in Höhe von 25 %, maximal dem 2,5-fachen der linearen Abschreibung, degressiv abgeschrieben werden. Diese Regelung ist gegenüber dem Referentenentwurf neu in den Gesetzesentwurf aufgenommen worden und sie setzt nach Auffassung der Bundesregierung einen deutlichen konjunkturellen Impuls, fördert die schnellere Refinanzierung und setzt Anreize für innovative Investitionen, die zur strukturellen Weiterentwicklung beitragen.
  • Es soll weiterhin eine neue degressive Abschreibung für Wohngebäude, die in einem Mitgliedstaat der EU/EWR belegen sind, nach § 7 Absatz 5a EStG eingeführt werden. Es wird pro Jahr eine 6 %-ige Abschreibungsmöglichkeit vom jeweiligen Restbuchwert für neu errichtete und Wohnzwecken dienende Immobilien, mit einem Baubeginn (nach Baubeginnsanzeige) zwischen dem 1. Oktober 2023 (!) und dem 30. September 2029 oder einer Anschaffung aufgrund eines nach dem 30. September 2023 und vor dem 1. Oktober 2029 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags, möglich sein. Damit auch in Fällen der Anschaffung nur neue Gebäude von der Regelung umfasst werden, muss der Steuerpflichtige das Gebäude zudem bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung anschaffen. Rechnerisch können hierdurch zukünftig bereits nach sechs Jahren 31 % und nach zehn Jahren bereits rund 46 % der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten steuerlich geltend gemacht werden.
  • Geringwertige Wirtschaftsgüter sollen bis 1.000 EUR sofort und in voller Höhe steuermindernd abgeschrieben werden können. Daneben soll die Betragsgrenze zur Bildung von sog. Sammelposten von 1.000 EUR auf 5.000 EUR angehoben werden und nur noch über drei – statt bislang fünf – Jahre linear aufgelöst werden. Auch die Dokumentationspflichten zur Aufnahme der Sammelposten in ein zusätzliches gesondertes Verzeichnis neben der originären buchhalterischen Abbildung entfällt zukünftig. Die Anpassungen der beiden o. g. Abschreibungsmöglichkeiten sollen für Anschaffungen ab dem 1. Januar 2024 gelten.
  • Sonderabschreibungen i. S. d. § 7g EStG zur Förderung „kleiner und mittlerer“ Betriebe mit einem Gewinn bis zu 200.000 EUR sollen ab dem Veranlagungszeitraum 2024, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7g EStG erfüllt sind, bis zu 50 % betragen. Es ist hierfür ausreichend, dass (nach derzeitiger Auffassung der Finanzverwaltung) der Gewinn i. S. d. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG (d. h. unter Einbeziehung außerbilanzieller Korrekturen) – auch nur einmalig – unter 200.000 EUR im Jahr, dass der Investition vorangeht, liegt (nach Auffassung des Finanzgerichts Baden-Württemberg – Entscheidung vom 2. Mai 2023 – ist jedoch insoweit auf den Steuerbilanzgewinn vor außerbilanziellen Korrekturen abzustellen). Diese Regelung eröffnet Potential für Steuergestaltungsüberlegungen. Die Anhebung der Sonderabschreibung auf 50 % soll nach der Regierungsbegründung die schnellere Refinanzierung fördern und über diesen Mechanismus unternehmerische Vorteile und Investitionsanreize schaffen, die zu einer nötigen Stabilisierung und der Transformation der Wirtschaft beitragen können.

 

Weitere ausgewählte steuerliche Aspekte

  • Die Regelungen zur Zinsschranke i. S. d. § 4h EStG soll ab dem Veranlagungszeitraum 2024 angepasst werden. Im Vergleich zum bisherigen Referentenentwurf verzichtet die Bundesregierung jedoch auf die Streichung der Eigenkapital-Escape-Klausel für konzernverbundene Betriebe sowie auch grundsätzlich auf die Streichung einer Stand-alone-Klausel. Allerdings erfolgt hinsichtlich der Stand-alone-Klausel eine Anpassung der Regelung an die sog. ATAD (Anti-Steuervermeidungsrichtlinie der EU/Anti Tax Avoidance Directive) Auch soll es bei der bisherigen Freigrenze von 3 Mio. EUR bleiben und kein, wie noch vom BMF vorgesehen, steuerlicher Freibetrag eingeführt werden. An der Einführung einer Anti-Fragmentierungsregel wird ebenfalls unverändert zum Referentenentwurf festgehalten.
  • Für den Verlustvortrag beinhaltet der Regierungsentwurf eine deutliche Verschlechterung gegenüber dem Referentenentwurf. Die befristete Aussetzung der sog. Mindest(gewinn)besteuerung von 2024 bis 2027 und die ab 2028 vorgesehene Anhebung des Sockelbetrags beim Verlustvortrag auf 10 Mio. EUR bzw. 20 Mio. EUR im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten ist im Regierungsentwurf nicht mehr berücksichtigt. Die Prozentgrenze von derzeit 60 % wird jedoch temporär (von 2024 bis 2027) auf
    80 % angehoben. Beim Verlustrücktrag bleiben aber die Ausdehnung auf drei Jahre und die dauerhafte Anhebung auf 10 Mio. EUR bzw. 20 Mio. EUR bestehen.
  • Die o. g. steuerliche Behandlung der Verlustvorträge gilt, mit Ausnahme der verdoppelten Höchstbeträge bei einer Zusammenveranlagung von Ehegatten, entsprechend für die körperschaftsteuerlichen Verlustvorträge gemäß § 8 Absatz 1 KStG und gewerbesteuerlichen Verlustvorträge i. S. d. § 10a GewStG.
  • Die Ausdehnung des Verlustrücktrags auf drei Jahre und die dauerhafte Anhebung auf 10 Mio. EUR gilt ebenfalls für den körperschaftsteuerlichen Verlustrücktrag. Ein gewerbesteuerlicher Verlustrücktrag ist weiterhin nicht möglich.
  • Für die Anwendung der Dienstwagenbesteuerung nach der sog. 0,25 %-Regelung für E-Kraftfahrzeuge (reine Elektrofahrzeuge, inkl. Brennstoffzellenfahrzeuge) soll die bisherige Höchstgrenze des zulässigen Bruttolistenpreises von 60.000 EUR auf 80.000 EUR ansteigen. Dies soll erstmalig für E-Kraftfahrzeuge gelten, die nach dem 31. Dezember 2023 angeschafft werden. Dies gilt entsprechend bei der Überlassung eines betrieblichen E-Kraftfahrzeugs an Arbeitnehmer.

Ausblick

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass auch der Regierungsentwurf des Wachstumschancengesetzes eine Vielzahl von Steuerart übergreifenden Förderungen und Entlastungen vorsieht, wenn auch nicht alle Vorschläge des BMF weiterverfolgt wurden.

Die Verabschiedung des Wachstumschancengesetzes ist für Mitte November 2023 im Bundestag geplant. Die Zustimmung der Bundesländer ist für die Bundesratssitzung am 15. Dezember 2023 terminiert. Anschließend wird das Wachstumschancengesetz zeitnah voraussichtlich noch Ende Dezember 2023 oder spätestens Anfang Januar 2024 in Kraft treten.

Wir werden in den nächsten Wochen über die Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Wachstumschancengesetz weiter berichten. Mitte Oktober wird hierzu eine Sonderausgabe unserer Kanzleizeitung mit einem umfassenden Überblick über das Wachstumschancengesetz und weitere Änderungen (bspw. Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts), erscheinen.

Sollten Sie zu einzelnen Aspekten des Wachstumschancengesetzes individuellen Beratungsbedarf oder Fragen haben, so sprechen Sie uns gerne jederzeit an. (THI/YHE/KEN)