CISA
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater
Steuerberater
In der steuerlichen Beratung stellt die Sicherung des Vorsteuerabzugs einen wesentlichen Punkt dar und wird als sog. „Dauerbrenner“ in der Umsatzsteuer bezeichnet. Somit müssen sich Verwaltung und Rechtsprechung fortlaufend mit Fragen zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs beschäftigen. Eine zentrale Bedeutung wird hierbei der Ordnungsmäßigkeit der Rechnung als Voraussetzung für den Vorsteuerabzug zugeschrieben. Im Folgen-den werden die wesentlichen Neuerungen zum Vorsteuerabzug zusammengefasst.
I. Aktuelle Verwaltungsanweisungen
a) Leistungsbeschreibung und handelsübliche Bezeichnungen
Bei der Beschreibung der abgerechneten Leistung handelt es sich gem. § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 UStG um eine Pflichtangabe bezüglich einer ordnungsgemäßen Rechnung. Nach Auslegung des BFH (Urteil vom 10.7.19, XI R 28/18) handelt es sich bei dem Klammerzusatz „handelsübliche Bezeichnung“ um keine zusätzliche (verschärfende) Voraussetzung hinsichtlich des Vorsteuerabzugs. Sondern es soll eher nach verschiedenen Verkehrskreisen, wie beispielsweise dem Handel mit Waren im mittleren und oberen Preissegment einerseits und dem Handel mit Waren im Niedrigpreissegment andererseits, differenziert werden. Es ist anzumerken, dass die Handelsüblichkeit einer Bezeichnung immer von den Umständen der Einzelfälle, wie etwa der jeweiligen Handelsstufe, Art und Inhalt des Geschäfts und Wert der einzelnen Waren abhängig ist.
Es ist zu beachten, dass der BFH in diesem Zusammenhang betont, dass die Beschreibung der Leistung dafür geeignet sein muss, einen Abgleich zwischen gelieferter und abgerechneter Ware zu ermöglichen, um die Problematik einer mehrfachen Abrechnung einer Leistung zu vermeiden.
Das BMF (Schreiben vom 1.12.21, noch nicht veröffentlicht) hat sich der Rechtsprechungslinie des BFH angeschlossen. Die erforderliche Angabe über die Art der gelieferten Gegenstände wird durch die handelsübliche Bezeichnung erfüllt. Dies ist der Fall, wenn die Bezeichnung unter Berücksichtigung von Handelsstufe, Art und Inhalt der Lieferungen den Erfordernissen von Kaufleuten im Sinne des HGB genügt und von Unternehmen in den entsprechenden Geschäftskreisen nicht nur gelegentlich verwendet wird.
Nach Auffassung des BMF müssen die in einer Rechnung enthaltenen Angaben es der Finanzverwaltung ermöglichen, die Entrichtung der geschuldeten Steuer und das ordnungsgemäße Bestehen des Rechts auf Vorsteuerabzug zu kontrollieren (Kontrollfunktion der Rechnung, vgl. EuGH 15.9.16, C-516/14).
b) Angabe des Leistungszeitpunkts bzw. Leistungszeitraums in der Rechnung
Die Angabe des Leistungszeitpunkts/-zeitraums zählt gem. § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 6 UStG zu einer weiteren Pflichtbestandteilen einer ordnungsgemäßen Rechnung. Hierzu ergänzend ist § 31 Abs. 4 UStDV zu beachten, nachdem dieser Bestandteil durch die Angabe des Kalendermonats – in dem die Leistung ausgeführt wurde – erfüllt werden kann.
Hierzu hat der BFH (Urteil vom 1.3.18, V R 18/17; Urteil vom 15.10.19, V R 44/16) entschieden, dass sich die Angabe des Kalendermonats als Leistungszeitpunkt – unter Einhaltung der unionsrechtlichen Vorgaben – aus dem Ausstellungsdatum der Rechnung ergeben kann, sofern davon auszugehen ist, dass die Leistung in dem Monat der Rechnungsausstellung bewirkt wurde.
Auf die Entscheidungen des BFH hat das BMF (Schreiben vom 9.9.21, BStBl. I 2021 S. 1593) Stellung genommen. Vorweg macht dieses deutlich, dass Rechnungen, welche nicht den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung enthalten, nicht ordnungsgemäß ausgestellt wurden. Zusätzlich gibt dieses bekannt, dass ausnahmsweise für solche nicht ordnungsgemäßen Rechnungen ein Vorsteuerabzug dennoch möglich ist, falls die Finanzverwaltung über alle Angaben verfügt, um die materielle Voraussetzung zu überprüfen.
Aus dem o. g. lässt sich umgekehrt schlussfolgern, dass die Angabe des Kalendermonats als Leistungszeitpunkt nicht angewendet werden kann, insofern die Daten nicht zusammenfallen. Das ist insbesondere der Fall, wenn eine unmittelbar mit der Leistung zusammenfassende Rechnungsstellung nicht branchenüblich ist, vom Rechnungsaussteller nicht immer durchgeführt wird oder bei der konkreten Leistung sonstige Zweifel an einem Zusammenfallen der Daten besteht.
c) Vorsteuerabzug einer nicht unternehmerisch tätigen Bruchteilsgemeinschaft
Bei dem Kauf von Gegenständen, welche mehrere Personen gemeinsam für ihr Unternehmen erwerben und jeder zur Nutzung bzw. Veräußerung seines Anteils berechtigt ist, kommt die Frage auf, wer in welchem Umfang jeweils zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Hierbei ist es essenziell, ob die Personengruppe in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder etwa einer Bruchteilsgemeinschaft tätig wird.
Von einer Bruchteilsgemeinschaft ist nach Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 28.8.14, V R 49/13; Urteil vom 31.5.17, XI R 40/14) auszugehen, wenn der erworbene Gegenstand (unentgeltlich) an die Gemeinschafter überlassen wird, da hierbei in keiner Weise eine eigene Rechtspersönlichkeit oder eine wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinschaft entsteht. Hierauf aufbauend hat das BMF (Schreiben vom 27.10.21, BStBl. I 2021 S. 2137) sich dem BFH angeschlossen und prüft bei solchen nicht unternehmerisch tätigen Bruchteilsgemeinschaften die Vorsteuerabzugsberechtigung auf Ebene der einzelnen Gemeinschafter als Leistungsempfänger.
II. Aktuelle Rechtsprechung
a) Zum Vorsteuerabzug bei unentgeltlicher Zuwendung
Hierzu musste der BFH im Jahr 2011 (Urteil vom 13.1.11, V R 12/08) über den Vorsteuerabzug aus einer Ausbaumaßnahme an einer öffentlichen Straße entscheiden, die nach Fertigstellung unentgeltlich an die Gemeinde überlassen wurde. In diesem entschiedenen Fall war der Unternehmer – welcher bereits bei der Eingangsleistung beabsichtigte, die Leistungen als unentgeltliche Entnahme gem. § 3 Abs. 1b UStG zu verwenden – nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Resultierend aus der zwischenzeitlich ergangenen EuGH-Rechtsprechungen in den Fällen „Sveda“ und „Iberdrola“ zog der BFH – aus Zweifel an der in 2011 entschiedenen Ansicht – den EuGH heran.
Der EuGH (Urteil vom 16.9.20, C-528/19) ist der Ansicht, dass dem Steuerpflichtigen der Vorsteuerabzug auf die Eingangsleistung trotz fehlender Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe auf der Ausgangsseite zusteht. Dies geht aus dem 1. Leitsatz der Entscheidung hervor: „Ein Steuerpflichtiger (hat) ein Recht auf Abzug der Vorsteuer …, wenn diese Straße sowohl von diesem Steuerpflichtigen im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit als auch von der Öffentlichkeit benutzt wird, soweit diese Ausbauarbeiten nicht über das hinausgingen, was erforderlich war, um diesem Steuerpflichtigen zu ermöglichen, seine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, und ihre Kosten im Preis der von diesem Steuerpflichtigen getätigten Ausgangsumsätze enthalten sind.“
Der obigen Rechtsprechung schloss sich nun der BFH mit Urteil vom 16.12.20 (XI R 26/20) an und machte deutlich, dass ein mittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung für den Vorsteuerabzug genügt. Zusätzlich ist anzumerken, dass eine Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe nur erforderlich ist, falls ein unversteuerter Letztverbrauch droht.
Es gilt zu beachten, dass die Verwaltung nun aufgefordert ist, ihre bisherige Ansicht zu verwerfen und sich der neuen Rechtsprechungslinie anzupassen. Ob hierbei die weite Auslegung zum mittelbaren Zusammenhang des Vorsteuerabzugs auch auf andere Fälle übertragen wird, bleibt allerdings abzuwarten.
b) Vorsteuerabzug nur mit Rechnung
Erst kürzlich hat der EuGH (Urteil vom 21.10.21, C-80/20, Wilo Salmson France) deutlich gemacht, dass der Steuerpflichtige einen Vorsteuerabzug nur dann geltend machen darf, wenn er im Besitz einer Rechnung ist. Hinsichtlich der Beurteilung, ob das entsprechende vorliegende Dokument die Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Rechnung erfüllt, ist der EuGH sehr großzügig. Demnach ist die Qualifikation des Abrechnungsdokuments als umsatzsteuerliche Rechnung nur dann zu versagen, wenn dieses so schwerwiegende Mängel aufweist, dass der Steuerverwaltung die erforderlichen Angaben fehlen, welche einen Erstattungsantrag begründen.
Es bleibt festzuhalten, dass die Rechnung auch dann zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn sie formale Mängel enthält, aber dennoch geeignet ist, die materielle Voraussetzung für den Vorsteuerabzug nachzuweisen.
Bei Fragen zu diesem Thema sprechen Sie uns gerne an. (Dil/DOE)