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Wird eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Immobilie innerhalb der Spekulationsfrist (10 Jahre) verkauft, ist der Gewinn insoweit nicht von der Besteuerung ausgenommen, als er auf tageweise an Dritte vermietete Räume entfällt. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 19.7.2022 entschieden (IX R 20/21).
Hintergrund: Die Besteuerung des Veräußerungsgewinns eines innerhalb des Zehnjahreszeitraums veräußerten Grundstücks wird vermieden, wenn die Immobilie im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG). Hierzu hat der BFH mit seinem Urteil vom 19.7.2022 weiter konkretisiert, dass der Veräußerungsgewinn insoweit nicht steuerfrei gestellt wird, als er auf tageweise an Dritte vermietete Räume entfällt.
Der Sachverhalt im BFH-Urteil stellte sich wie folgt dar: Eheleute erwarben ein Reihenhaus, das sie mit ihren Kindern bewohnten und durch tageweise Vermietung von zwei Zimmern im Dachgeschoss an Messegäste zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nutzten. Die Räume wurden innerhalb von fünf Jahren an maximal 25 Tagen im Jahr vermietet. Rund sechs Jahre nach dem Kauf veräußerten die Eheleute die Immobilie mit Gewinn. Das Finanzamt unterwarf den Veräußerungsgewinn teilweise der Besteuerung. Der dagegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt, der BFH sah die Entscheidung des FG jedoch teilweise anders.
Entscheidung des BFH: Nach Ansicht des BFH ist der Gewinn aus der Veräußerung insoweit nicht von der Einkommensbesteuerung ausgenommen, als er auf tageweise an Dritte vermietete Räume entfällt. Denn eine räumliche oder zeitliche Bagatellgrenze für eine unschädliche Nutzungsüberlassung an Dritte besteht nicht. Maßstab für die Ermittlung des anteilig steuerbaren Veräußerungsgewinns ist das Verhältnis der Wohnflächen zueinander (durchgängig zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnfläche vs. vorübergehend zu fremden Wohnzwecken überlassene Wohnfläche). In diesem Zusammenhang ist auf die Wohn- und nicht auf die Nutzflächen abzustellen, weil die Norm die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken privilegiert.
Fazit: Der BFH hat mit diesem Urteil einen für die Praxis sehr relevanten Fall entschieden. Das Tatbestandsmerkmal “Nutzung zu eigenen Wohnzwecken” ist auch bei einer kurzfristigen Vermietung unter Ausschluss des Vermieters nicht mehr erfüllt und es ist eine Aufteilung anhand der Wohnflächen vorzunehmen. Eine Bagatellgrenze ist nicht vorgesehen. Wichtig ist, dass ausschließlich die Wohnflächen und nicht auch Nutzflächen berücksichtigt werden müssen. Steuerpflichtige sollten jedoch beachten, dass mit ein bisschen Weitsicht auch die Versteuerung eines anteiligen Veräußerungsgewinns vermieden werden kann, wenn die Immobilie im Jahr der Veräußerung und den beiden vorangegangenen Jahre eigengenutzt wurde. (Dil)