Reverse-Charge-Verfahren und innergemeinschaftliche Erwerbe

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Unternehmer sind stets gefordert ihre erbrachten Leistungen im Einzelnen im Hinblick auf eine eventuelle Umsatzsteuerpflicht zu prüfen. So erbringen Ärzte als umsatzsteuerliche Unternehmer i.  S.  d. § 2 Abs. 1 UStG beispielsweise zahnärztliche und kieferorthopädische Behandlungen, die von der Umsatzsteuer befreit sind, soweit diese als Heilbehandlung i.  S.  d. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG erbracht werden. Werden jedoch Behandlungen vorgenommen, die sich nicht auf eine konkrete, bei dem Patienten identifizierte bzw. identifizierbare Gesundheitsstörung bezieht, so ist die Behandlung mangels vorliegender Voraussetzungen einer Heilbehandlung umsatzsteuerpflichtig. Doch nicht nur Ausgangsumsätze können eine gelegentlich unerwartete Umsatzsteuerpflicht auslösen, sondern vielmehr entpuppen sich auch Eingangsumsätze regelmäßig als Umsatzsteuerfalle.

Grundsätzlich hat der Leistungserbringer die Umsatzsteuer zu erklären und an das Finanzamt abzuführen. Mit dem Reverse-Charge-Verfahren hat der Gesetzgeber jedoch Regelungen
(§ 13b UStG) getroffen, nach denen unter bestimmten Voraussetzungen der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer als Steuerschuldner entrichten muss. Dies gilt weiterhin auch für Leistungsempfänger, die ausschließlich steuerfreie Ausgangsleistungen erbringen oder gar von der Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG Gebrauch machen.

Ein häufiger Anwendungsfall ist der Bezug von Dienstleistungen aus dem Ausland. Lässt sich also beispielhaft ein Zahnarzt, der ausschließlich steuerfreie Heilbehandlungen erbringt, von einem im EU-Ausland ansässigen Architekten die neue Praxis planen, schuldet der Zahnarzt im Reverse-Charge-Verfahren für diese Leistung die Umsatzsteuer. Die Ausgangsumsätze des Zahnarztes sind hierbei unbeachtlich.

Die Regelungen zur Umkehrung der Steuerschuld sind zum einen als Vereinfachungsregelung zu verstehen, da Leistungserbringer bei grenzüberschreitenden Transaktionen keine steuerlichen Pflichten im Ausland zu erfüllen haben und auch die Finanzverwaltung die Steuer nicht mehr bei im Ausland ansässigen Unternehmern eintreiben durchsetzen muss. Zum anderen beugt die Regelung jedoch auch Steuerausfällen vor, da nun Vorsteuerabzug und Steuerzahlung durch denselben Unternehmer erfolgen.

Die Umkehr der Steuerschuldnerschaft lässt sich als Leistungsempfänger in der Praxis üblicherweise an der Rechnung erkennen, auf der der leistende Unternehmer lediglich den Nettobetrag ausweist und einen entsprechenden Hinweis (Pflichtangabe) aufführt, dass der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist. Dabei ist jedoch zu beachten, dass das Reverse-Charge-Verfahren auch bei fehlendem Hinweis auf der Rechnung anzuwenden ist.

Abzugrenzen vom Reverse-Charge-Verfahren sind innergemeinschaftliche Lieferung, die unter bestimmten Voraussetzungen für Lieferungen aus einem EU-Land in ein anderes EU-Land ihre Anwendung finden. Während das Reverse-Charge-Verfahren bei der steuerpflichtigen Leistung ansetzt und lediglich die Steuerschuldnerschaft umkehrt, sind innergemeinschaftliche Lieferungen per se steuerfrei und lediglich der innergemeinschaftliche Erwerb der Steuer zu unterwerfen (Erwerbsteuer). In der Folge verbleibt die Steuerzahlung allerdings auch in den Fällen der innergemeinschaftlichen Erwerbe bei dem Leistungsempfänger.

Für innergemeinschaftliche Erwerbe ist jedoch zu beachten, dass keine Umsatzsteuerpflicht für den Erwerber ausgelöst wird, wenn er ausschließlich steuerfreie Ausgangsumsätze erbringt bzw. von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch macht und zusätzlich die sog. Erwerbsschwelle nicht überschreitet. Dies ist der Fall, wenn der Einkauf aus anderen EU-Ländern im Vorjahr nicht mehr als 12.500,00 EUR betragen hat und im laufenden Jahr voraussichtlich nicht mehr als 12.500,00 EUR betragen wird.

Es wird ersichtlich, dass Unternehmer (und somit auch Ärzte) Kenntnis über das Reverse-Charge-Verfahren und innergemeinschaftliche Erwerbe benötigen, um sowohl bei Eingangsumsätzen in Form von Dienstleistungen (sonstigen Leistungen) als auch in Form von Lieferungen stets prüfen zu können, ob sie für die jeweiligen Leistungen Steuerschuldner der Umsatzsteuer sind.

Bei Fragen zu diesem Thema sprechen Sie uns gerne an. (SAN/STR)