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Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage zur Prüfung vorgelegt, ob die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von ausländischen Streubesitzdividenden im Jahr 2001 gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt.
Ein Lebensversicherungsunternehmen war im Jahr 2001 im Streubesitz an mehreren ausländischen Kapitalgesellschaften beteiligt, von denen sie Dividenden erhalten hat. 2004 übte das Unternehmen ein sogenanntes Blockwahlrecht aus. Dies hatte zur Folge, dass 20 % der Dividenden aus Streubesitzbeteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften bei der Gewinnermittlung nicht zu berücksichtigen waren. Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer legte das Finanzamt demnach den nach dem Körperschaftsteuergesetz zu ermittelnden Gewinn zugrunde. Unter Anwendung des § 8 Nr. 5 S. 1 GewStG rechnete das Finanzamt hierbei jene 20 % der zugeflossenen Ausschüttungen der ausländischen Kapitalgesellschaften, die bei der Ermittlung des körperschaftsteuerlichen Gewinns außer Ansatz blieben, wieder hinzu. Hiergegen wandte sich das Lebensversicherungsunternehmen und war in erster Instanz erfolgreich. Im Revisionsverfahren des Finanzamtes hat der Bundesfinanzhof nunmehr das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage der Unionsrechtmäßigkeit der Hinzurechnung von Dividenden aus Auslandsbeteiligungen im Veranlagungszeitraum 2001 vorgelegt.
Mit der Vorlage an den EuGH möchte der Bundesfinanzhof erfragen, ob die Kapitalverkehrsfreiheit der rückwirkenden Hinzurechnung von Dividenden aus Auslandsbeteiligungen entgegensteht, nach welcher Dividenden aus Streubesitzbeteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften bei der Gewerbesteuer wieder hinzugerechnet werden, soweit Dividenden in einem vorangegangenen Schritt bei der Körperschaftsteuer von der Bemessungsgrundlage abgezogen worden sind, während bei solchen Dividenden, die aus Streubesitzbeteiligungen an Kapitalgesellschaften mit Sitz im Inland resultieren, bei der Ermittlung der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage kein Abzug und folglich auch keine Wiederhinzurechnung erfolgt.
Der Bundesfinanzhof hatte in einer früheren Entscheidung unter Berufung auf den EuGH die Ansicht vertreten, dass die angeordnete Hinzurechnung von Gewinnanteilen bei Auslandsbeteiligungen gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit verstoße. An dieser früheren Rechtsauffassung hält der Senat in seinem jetzigen Vorlagebeschluss allerdings nicht mehr fest. Der Bundesfinanzhof geht nunmehr von einer Rechtskonformität aus. Eine gemeinschaftsrechtlich bedenkliche Benachteiligung der Beteiligung an Auslandskapitalgesellschaften ist nach jetziger Sichtweise nicht mehr ersichtlich. Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs führt die Hinzurechnung lediglich zu einer steuerlichen Gleichbehandlung von Inlands- und Auslandsinvestitionen und nicht zu einer steuerlichen Diskriminierung von Auslandsinvestitionen. Im betroffenen Zeitraum unterliegen im Ergebnis sowohl inländische als auch ausländische Dividenden der Gewerbesteuer in voller Höhe. Außerdem stellt der Bundesfinanzhof in Abrede, dass im Hinblick auf die Anwendung von § 8 Nr. 5 GewStG eine objektiv vergleichbare Situation von Dividenden auf Auslandsbeteiligungen im Streubesitz gegenüber Dividendeneinnahmen aus Inlandsbeteiligungen bestanden hat. Selbst wenn die entsprechende Hinzurechnung nach Maßgabe von § 8 Nr. 5 GewStG den freien EU-Kapitalverkehr beschränken sollte, könnte nach Auffassung des Bundesfinanzhofs die Beschränkung durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sein, die Kohärenz des Steuersystems sicherzustellen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der Vorteil der Kürzung der Bemessungsgrundlage und der Nachteil der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG in unmittelbarem Zusammenhang und enger Wechselwirkung stünden.
Der Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs bietet für den EuGH eine Gelegenheit, die rückwirkende Hinzurechnung von Auslandsdividenden auf den Prüfstand zu stellen und seine eigene Rechtsprechung weiterzuentwickeln. In Vergleichsfällen ist zu empfehlen, unter Hinweis auf den aktuellen BFH-Vorlagebeschluss entsprechende Steuerbescheide offenzuhalten. Sofern der EuGH die Rechtsansicht des Bundesfinanzhofs nicht teilt und die rückwirkende gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Auslandsdividenden im Streitzeitraum für rechtswidrig erklärt, bleiben die entsprechenden gewerbesteuerlichen Vorschriften im Streitzeitraum ohne Anwendung.
Bei Fragen zu diesem Thema sprechen Sie uns gerne an. (LB/PAW)