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Steuerberater
Für die rund 900.000 Zeit- und Leiharbeitnehmer in Deutschland stellt sich häufig die Frage, ob und wo für sie eine sog. erste Tätigkeitsstätte vorliegt. Der Bundesfinanzhof hat nun diesbezüglich ein Urteil (Az.: BFH VI R 32/20 vom 12.05.2022) zugunsten der Leiharbeiter entschieden.
Für den Leiharbeiter stellt sich die Frage, wo sich seine erste Tätigkeitsstätte befindet und ob er überhaupt über eine erste Tätigkeitsstätte verfügt. Sollten die Voraussetzungen zur Annahme einer ersten Tätigkeitsstätte nicht vorliegen, kann dieser Werbungskosten wie Fahrtkosten, Verpflegungsmehraufwendungen, Unterkunftskosten und Reisenebenkosten als Werbungskosten absetzen.
Für die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte des Leiharbeiters gibt es mehrere Optionen. Entweder legt der Verleiher im Rahmen seines Direktionsrechts den Betrieb des Entleihers als erste Tätigkeitsstätte fest oder die Tätigkeitsstätte bestimmt sich nach Erfüllung der Voraussetzungen an dem Ort, an dem der Leiharbeiter typischerweise täglich oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage bzw. mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig ist.
Sollten die Voraussetzungen nur vorübergehend vorliegen und keine Dauerhaftigkeit erkennbar sein, erfolgt keine Zuordnung des Leiharbeiters zu einer ersten Tätigkeitsstätte. Eine Dauerhaftigkeit liegt vor, wenn die Tätigkeit unbefristet oder für die Dauer des befristeten bzw. unbefristeten Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus erfolgt.
Wurde dem Leiharbeitnehmer durch den Verleiher keine erste Tätigkeitsstätte wirksam und vor allem dauerhaft zugewiesen, ist grundsätzlich wie folgt zu unterscheiden:
• Bei Vorliegen eines unbefristeten Leiharbeitsvertrags mit dem Verleiher: erfolgt die Tätigkeit für einen Entleiher „bis auf Weiteres“ oder voraussichtlich mindestens 48 Monate?
• Bei Vorliegen eines befristeten Leiharbeitsvertrags mit dem Verleiher: erfolgt die Tätigkeit für das gesamte Arbeitsverhältnis oder voraussichtlich für mindestens 48 Monate?
Bei Bejahung einer dieser Voraussetzungen liegt die erste Tätigkeitsstätte des Leiharbeiters grundsätzlich beim Entleiher, andernfalls liegt regelmäßig eine sog. steuerliche auswärtige Tätigkeit.
Der Fall vor dem Bundesfinanzhof (Az.: BFH VI R 32/20 vom 12.05.2022):
Bei einem aktuellen Fall vor dem Bundesfinanzhof stellte sich die Frage, ob ein Leiharbeiter, der in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum Verleiher steht und der Verleiher mit dem Entleiher eine Befristung der Tätigkeit vereinbart hatte (also keine Dauerhaftigkeit) die sog. Entfernungspauschale oder die Reisekosten als Werbungskosten geltend gemacht werden können.
Das Finanzgericht Niedersachsen urteilte im Vorverfahren, dass eine für den Leiharbeiter ungünstige erste Tätigkeitsstätte auch dann vorliegt, wenn der Leiharbeiter ausschließlich für den Einsatz beim Entleiher eingestellt wurde und auch nur dort tätig ist. Mit der Folge, dass nur die Entfernungspauschale bei den Werbungskosten zu berücksichtigen sei.
Jedoch widersprach der Bundesfinanzhof im anschließenden Revisionsverfahren und entschied zugunsten des Leiharbeiters. Denn laut dem Bundesfinanzhof ist das Verhältnis zwischen Leiharbeiter und Entleiher unbeachtlich. Die erste Tätigkeitsstätte befindet sich in diesen Fällen laut der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht beim Entleiher. Der Leiharbeiter kann in solchen Fällen also Werbungskosten wie beispielsweise Reisekosten steuermindernd geltend machen.
Bei Fragen zu diesem Thema stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. (YHE/BDA)