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Steuerberater
Ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung, der von der Gesellschafterversammlung einstimmig gefasst worden ist und von keinem Gesellschafter angefochten werden kann, ist als zivilrechtlich wirksamer Ausschüttungsbeschluss der Besteuerung zugrunde zu legen.
Um eine inkongruente Gewinnausschüttung handelt es sich, wenn der Gewinn nicht im Verhältnis der an der GmbH beteiligten Gesellschafter ausgeschüttet, sondern ein davon abweichender Gewinnverteilungsschlüssel zwischen den Gesellschaftern gewählt wird. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entgegen der Sichtweise der Finanzverwaltung in einem aktuellen Urteil entschieden, dass ein Gesellschafter, an den nach einem solchen Beschluss kein Gewinn verteilt wird, nicht den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 EStG verwirklicht.
Sachverhalt Im vorliegenden Streitfall war der Steuerpflichtige K zu 50 % an der K-GmbH beteiligt. Weiterer Gesellschafter war zu 50 % die T-GmbH, an der K alleiniger Gesellschafter war. In den Streitjahren fassten die Gesellschafter einstimmig Vorabausschüttungsbeschlüsse, mit denen die Vorabgewinne nur an die T-GmbH verteilt wurden. Der Gesellschaftsvertrag der K-GmbH enthielt keine Regelungen zur Gewinnverteilung.
Auffassung der Finanzverwaltung Die Finanzverwaltung vertrat die Auffassung, die Ausschüttungsbeschlüsse seien wegen der inkongruenten Verteilung der Vorabgewinne zivilrechtlich nichtig. Der Steuerpflichtige habe – veranlasst durch sein Gesellschaftsverhältnis zur K-GmbH – den ihm zustehenden Anteil an der Ausschüttung der T-GmbH zugewandt und dadurch Einkünfte aus einer verdeckten Gewinnausschüttung erzielt – allerdings zu Unrecht, wie das FG Münster sowie nun ebenfalls der BFH entschieden haben.
Ansicht des BFH Der BFH teilte die Entscheidung der Finanzverwaltung nicht. Die inkongruenten Vorabgewinnausschüttungsbeschlüsse, in denen an K keine Ausschüttungsbeträge verteilt wurden, sind zivilrechtlich wirksam. K hat den Einkünfteerzielungstatbestand des § 20 EStG nicht verwirklicht. Zwar widersprechen die gefassten Beschlüsse der Satzung, allerdings sind punktuell satzungsdurchbrechende Beschlüsse jedoch wirksam, so der BFH. Davon zu unterscheiden sind satzungsdurchbrechende Gesellschafterbeschlüsse mit Dauerwirkung. Durch punktuelle satzungsdurchbrechende Beschlüsse mit Einzelaktwirkung soll die Satzung nicht mit Wirkung für die Zukunft geändert werden. Solche Beschlüsse sind nicht nichtig, sondern nur bei der GmbH anfechtbar. Grundsätzlich sind satzungsdurchbrechende Gesellschafterbeschlüsse, die eine Abweichung mit Dauerwirkung vom rechtlichen Zustand begründen, nichtig, sofern nicht alle materiellen und formellen Bestimmungen einer Satzungsänderung eingehalten werden.
Ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss, der durch Zustimmung aller Gesellschafter gefasst wurde, kann nicht mehr angefochten werden und ist, trotz Verletzung der Satzung, zivilrechtlich wirksam und bindend.
Bezogen auf den vorliegenden Sachverhalt ist fraglich, ob die inkongruente Gewinnausschüttung einen Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO begründen kann. Das FG Münster sowie auch der BFH haben entschieden, dass im vorliegenden Sachverhalt kein Gestaltungsmissbrauch vorliegt, da dem K kein steuerlicher Vorteil durch die Verlagerung des Ausschüttungspotenzials auf die T-GmbH entstanden ist. Sollte nachfolgend eine Ausschüttung von der T-GmbH an den Steuerpflichtigen K erfolgen, so gelten dieselben Besteuerungsregeln wie bei einer direkten Ausschüttung der K-GmbH an den K. Dies ist demzufolge lediglich ein Aufschub der einkommensteuerlichen Besteuerung des K.
Relevanz für die Praxis Grundsätzlich ist die Entscheidung des BFHs zu befürworten, da sie satzungsdurchbrechende inkongruente Ausschüttungen nun als zivil- und steuerrechtlich zulässig ansieht und auch weitere Rechtssicherheit hinsichtlich des verneinten Gestaltungsmissbrauches im konkreten Sachverhalt aufzeigt.
Dieses BFH-Urteil ist, abgesehen vom konkreten Einzelfall im Urteilssachverhalt, bis zu einer Veröffentlichung der BFH-Entscheidung im Bundessteuerblatt für die Finanzverwaltung jedoch nicht bindend. Grundsätzlich ist daher nach wie vor eine notariell beurkundete Satzungsanpassung weiterhin empfehlenswert. Es bietet sich darüber hinaus für die Fälle an, in denen inkongruente Ausschüttungen regelmäßig erfolgen sollen, eine Verankerung einer Öffnungsklausel für diese Ausschüttungen in der Satzung aufzunehmen.
Wenn Sie Fragen zu dem Thema haben, sprechen Sie uns gerne an. (YHE/IPO)