Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness

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Am 17. Juli 2023 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) einen Referentenentwurf über ein Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness – kurz das sog. Wachstumschancengesetz – veröffentlicht. Mit dem Wachstumschancengesetz soll den Herausforderungen der deutschen Wirtschaft, hervorgerufen durch die aktuellen Krisen, der Dekarbonisierung sowie dem demographischen Wandel, Rechnung getragen werden. Es sollen hierfür neue Rahmenbedingungen in der deutschen Steuerpolitik mit zielgerichteten Maßnahmen für mehr Wachstum, Investition und Innovation des Wirtschaftsstandortes Deutschland geschaffen werden.

In dem 275 Seiten umfassenden Entwurf des BMF sind eine Vielzahl von steuerlichen Maßnahmen geplant, die in vielen Fällen bereits ab 2024 gelten sollen. Ausgewählte Aspekte des nun vorliegenden Entwurfes des Wachstumschancengesetzes möchten wir Ihnen im Folgenden näher vorstellen.

Steuerliche Förderungen im Bereich des Klimaschutzes und der Forschungszulage

  • Für die Anschaffung und Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens sowie im Falle von nachträglichen Anschaffungs-/Herstellungskosten sollen Unternehmen bei Erfüllung bestimmter energetischer Voraussetzungen eine Investitionsprämie i. H. v. 15 %, begrenzt auf maximal 30 Mio. EUR, des förderfähigen Aufwands erhalten. Nach dem Referentenentwurf sind maximal zwei Anträge im Förderzeitraum, der am Tag nach der Gesetzesverkündung beginnt und bis zum 31. Dezember 2027 laufen soll, zulässig. Eine Förderung soll nur erfolgen, wenn die förderfähigen Aufwendungen mindestens 50.000 EUR betragen. Ab dem Zeitpunkt der Festsetzung der Investitionsprämie sind die Absetzungen für Abnutzung nach § 7 EStG von den insoweit um die Investitionsprämie geminderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorzunehmen. Weitere Voraussetzungen und Details regelt das im Wachstumschancengesetz enthaltene sog. Gesetz zur steuerlichen Förderung von Investitionen in den Klimaschutz – Klimaschutz-InvPG.
  • Die bereits bestehende Forschungszulage im sog. Forschungszulagengesetz (FZulG) soll modernisiert und erweitert werden. Für Wirtschaftsjahre ab dem 1. Januar 2024, soll die Forschungszulage auf in begünstigten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben genutzte abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die für die Durchführung des Forschungs- und Entwicklungsvorhabens erforderlich und unerlässlich sind, ausgeweitet werden. Bislang waren im Wesentlichen nur Personalkosten von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben förderfähig. Der förderfähige Anteil der Kosten soll von 60 % auf 70 % ansteigen. Des Weiteren soll die förderfähige Bemessungsgrundlage von derzeit 4 Mio. EUR auf 12 Mio. EUR dauerhaft verdreifacht werden.

Ausgewählte einkommensteuerliche Förderungsmaßnahmen

  • Der bereits mit dem sog. vierten Corona-Steuerhilfegesetz auf zwei Jahre erweiterte Verlustrücktrag gemäß § 10d EStG soll um ein weiteres Jahr auf drei Jahre ausgedehnt werden. Darüber hinaus sollen die bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2020 angehobenen Betragsgrenzen von 10 Mio. EUR bzw. 20 Mio. EUR bei zusammenveranlagten Ehegatten für den Verlustrücktrag dauerhaft beibehalten werden.
  • Für die Veranlagungszeiträume 2024 bis 2027 soll ein der Höhe nach uneingeschränkter Verlustvortrag gelten, mithin wird die Anwendung der sog. Mindest(gewinn)besteuerung insoweit vollständig suspendiert. Ab dem Veranlagungszeitraum 2028 soll ein Verlustvortrag bis zur Höhe von 10 Mio. EUR bzw. 20 Mio. EUR im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten uneingeschränkt und darüber hinaus im Rahmen der sog. Mindest(gewinn)besteuerung möglich sein. Zur Aussetzung der Mindest(gewinn)besteuerung enthält der Referentenentwurf aber den Hinweis, dass die konkrete Höhe der verbesserten Verlustverrechnung in der Ressortabstimmung noch geeint werden müsse.
  •  Die Vorschrift des § 34a EStG zur Begünstigung nicht entnommener Gewinne bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit
    – die sog. Thesaurierungsbesteuerung – soll modernisiert und für mehr Unternehmen in Deutschland eine attraktivere Gestaltungsoption werden. Bislang konnten unter den Voraussetzungen des § 34a EStG thesaurierte Gewinne auf Antrag mit einem Steuersatz von 28,25 % besteuert werden. Dies war regelmäßig nur für Steuerpflichtige im Spitzensteuersatz eine Möglichkeit zur Steueroptimierung. Durch verschiedene Maßnahmen soll die Vorschrift des § 34a EStG nun auch für Steuerpflichtige sinnvoll werden, die ihre Einkünfte nicht mit dem Spitzensteuer besteuern. Des Weiteren soll u. a. die Verwendungsreihenfolge i. S. d. § 34a EStG bei Entnahmen vorteilhaft angepasst werden.
  • Die Regelungen zur Zinsschranke i. S. d. § 4h EStG soll ab dem Veranlagungszeitraum 2024 deutlich verschärft werden. Die bisherigen Ausnahmeregelungen im Rahmen der Konzernbezogenheit i. S. d. § 4h Absatz 2 Satz 1 lit. b) EStG und dem Eigenkapitalvergleich i. S. d. § 4h Absatz 2 Satz 1 lit. c) EStG sollen entfallen. Im Gegenzug wird aus der bisherigen Freigrenze von 3 Mio. EUR ein steuerlicher Freibetrag. Im Unterschied zum Freibetrag wird bei einer Freigrenze nicht nur der die Freigrenze übersteigenden Betrag besteuert, sondern bei Überschreiten der Freigrenze wird der gesamte Betrag insgesamt steuerpflichtig.
  • Der Gesetzesentwurf sieht die Einführung einer Zinshöhenschranke in § 4l EStG vor. Hiernach sollen Zinsaufwendungen zwischen verbundenen Unternehmen i. S. d. § 1 Abs. 2 AStG nicht abziehbar sein, soweit der vereinbarte Zinssatz den gesetzlich definierten Höchstzinssatz (Basiszinssatz nach § 247 BGB zuzüglich zwei Prozentpunkte) übersteigt. Flankiert wird diese Abzugsbeschränkung von einer speziellen Gegenbeweismöglichkeit sowie einer Substanzausnahme.
  • Ab dem Veranlagungszeitraum 2024 soll eine neue Steuerfreigrenze für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eingeführt werden. Betragen die Einnahmen weniger als 1.000 EUR müssen die Einkünfte aus dem jeweiligen Objekt nicht in der Einkommensteuererklärung deklariert werden. Auf Antrag können die Einkünfte jedoch steuerlich berücksichtigt werden, wenn beispielsweise ein Werbungskostenüberschuss vorliegt.
  • Aufwendungen für Geschenke an Geschäftspartner i. S. d. § 4 Absatz 5 Nr. 1 EStG sollen bis zu 50 EUR steuerlich abziehbar sein. Bislang galt eine Freigrenze von 35 EUR.
  • Geringwertige Wirtschaftsgüter sollen bis netto 1.000 EUR sofort und in voller Höhe steuermindernd abgeschrieben werden können. Daneben soll die Betragsgrenze zur Bildung von sog. Sammelposten von 1.000 EUR auf 5.000 EUR angehoben werden. Die Auflösungsdauer von Sammelposten soll von fünf Jahren auf drei Jahre verringert werden.
  • Sonderabschreibungen i. S. d. § 7g EStG zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe mit einem Gewinn von bis zu 200.000 EUR im Jahr, das der Investition vorangeht, sollen künftig, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7g EStG erfüllt sind, bis zu 50 % betragen.
  • Die steuerlichen Pauschalen für den sog. Verpflegungsmehraufwand bei Dienstreisen soll bei einer Abwesenheit von 24 Stunden auf 30 EUR und bei Abwesenheit von mehr als 8 Stunden sowie bei An- und Abreisetagen mehrtägiger Dienstreisen auf 15 EUR erhöht werden.
  • Die Anhebung des Freibetrags für Zuwendungen an Arbeitnehmer und seine Begleitpersonen anlässlich einer Betriebsveranstaltung soll auf 150 EUR angehoben werden. Bis zu diesem Freibetrag führt die Zuwendung weder zu einer Lohnsteuer- noch Sozialversicherungspflicht.

Ausgewählte körperschaftsteuerliche und gewerbesteuerliche Aspekte

  • Seit dem Veranlagungszeitraum 2022 können Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften unter den Tatbestandsvoraussetzungen des § 1a KStG zur Körperschaftsteuer optieren. Sie unterliegen dann grundsätzlich nicht mehr den steuerlichen Vorschriften für Personengesellschaften, sondern werden steuerlich wie eine Körperschaft behandelt. Die Ausübung zur Option soll zukünftig auch bereits in Neugründungsfällen zulässig sowie für weitere Formen der Personengesellschaft möglich sein.
  • Die o. g. Ausführungen zu den Verlustverrechnungen gelten (mit Ausnahme der Betragsgrenze im Fall der Zusammenveranlagung) gemäß § 8 Absatz 1 KStG auch für die körperschaftsteuerliche Verlustverrechnung.
  • Die geplanten Änderungen beim gewerbesteuerlichen Verlustvortrag sollen sicherstellen, dass die bereits bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer für die Jahre 2024 bis 2027 vorgesehene Aussetzung der betragsmäßigen Begrenzung beim Verlustvortrag auch für gewerbesteuerliche Zwecke nachvollzogen wird, d. h. für diesen Zeitraum werden die Regelung der sog. Mindest(gewinn)besteuerung nicht angewendet. Ab dem Erhebungszeitraum 2028 soll die bisherige Höchstgrenze für eine uneingeschränkte Verlustverrechnung auf 10 Mio. EUR erhöht werden.
  • Um den Ausbau der Solarstromerzeugung und den Betrieb von Ladesäulen weiter voranzutreiben, soll bei der erweiterten gewerbesteuerlichen Kürzung für Grundstücksunternehmen die Unschädlichkeitsgrenze von 10 % auf 20 % ab dem Erhebungszeitraum 2024 steigen.

Ausgewählte verfahrensrechtliche Erleichterungen

  • Wenn nicht bereits nach dem Handelsgesetzbuch oder einer anderen außersteuerlichen Vorschrift eine Buchführungspflicht besteht, müssen gewerbliche Unternehmen aus steuerlichen Gründen Bücher führen, wenn gewisse Umsatz- oder Gewinngrenzen überschritten sind. Die Betragsgrenzen der steuerlichen Buchführungspflicht gemäß § 141 Abgabenordnung sollen auf einen Gesamtumsatz von 800.000 EUR oder Gewinn i. H. v. 80.000 EUR erhöht werden.

Ausgewählte umsatzsteuerliche Aspekte

  • Die elektronische Rechnung (sog. eRechnung) soll im B2B-Bereich verpflichtend eingeführt werden. Die Regelung betrifft die Ausstellung von Rechnungen für steuerbare Umsätze zwischen in Deutschland ansässigen Unternehmern. Für Kleinbetragsrechnungen, deren Gesamtbetrag 250 EUR nicht übersteigt, und für Fahrausweise sollen aber weiterhin alle Arten von Rechnungen verwendet werden können. Die eRechnung soll Voraussetzung für die zu einem späteren Zeitpunkt einzuführende Verpflichtung zur transaktionsbezogenen Meldung von Umsätzen im B2B-Bereich durch Unternehmer an ein bundeseinheitliches elektronisches System der Verwaltung (Meldesystem) sein.
  • Eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2025 bzw. 31. Dezember 2027 soll sicherstellen, dass die technischen Voraussetzungen zum Erstellen elektronischer Rechnungen bei den Unternehmern geschaffen sind. Die Spitzenverbände der gewerblichen Wirtschaft hatten in einer Stellungnahme an das Bundesfinanz-ministerium die geplante Digitalisierung grundsätzlich begrüßt, aber auch darauf hingewiesen, dass grundsätzlich verpflichtende Einführung zum 1. Januar 2025 nicht realisierbar sei.
  • Die Grenze der Ist-Besteuerung nach § 20 UStG (Möglichkeit der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten statt vereinbarten Entgelten) soll von 600.000 EUR auf 800.000 EUR angehoben werden.
  • Das Finanzamt soll auch auf die Übermittlung von Umsatzsteuererklärungen für das Kalenderjahr bei Kleinunternehmern gem. § 19 UStG grundsätzlich verzichten. Zudem ist keine Voranmeldung mehr abzugeben, soweit die Steuer für das vorausgegangene Kalenderjahr nicht mehr als 2.000 EUR betragen hat.
  • Die weiteren Voraussetzungen für den ermäßigten Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 lit. a) Satz 3 UStG soll künftig nur auf Leistungen steuerlicher Zweckbetriebe angewendet werden, die den Vorschriften der §§ 66 bis 68 AO (Katalogzweckbetriebe) unterliegen. Zweckbetriebe gem. § 65 AO unterliegen damit insoweit generell dem ermäßigten Steuersatz.
  • Hintergrund ist der Streit zwischen der Finanzverwaltung und dem Bundesfinanzhof, aufgrund des BFH-Urteils vom 26. August 2021 (V R 5/19). Der BFH hatte entschieden, dass Zweckbetriebe gem. § 65 AO i. d. R. dem regulären Steuersatz unterliegen. Die Finanzverwaltung wendete das BFH-Urteil in der Praxis nicht an und nunmehr soll mit der klarstellenden Regelung die Auffassung der Finanzverwaltung im Gesetz verankert werden.

Nach der neuen Regelung in § 12 Abs. 2 Nr. 8 lit. a) Satz 4 UStG liegen auch dann begünstigte Leistungen vor, wenn die von dem jeweiligen gemeinnützigen Zweck erfassten Personen entweder Empfänger der Leistung sind oder bei der Leistungserbringung mitwirken. Durch die gesetzliche Ausweitung der begünstigten Leistungen sollen Inklusionsbetriebe und Behindertenwerkstätten den ermäßigten Steuersatz anwenden können, auch wenn sie Leistungen an nicht begünstigte Dritte erbringen. Dies ist seit der Entscheidung des BFH vom 23. Juli 2019 (XI R 2/17) nicht mehr gewährleistet.

Ausgewählte Aspekte im internationalen Steuerrecht

  • Es wird eine neue Vorschrift zum internationalen Risikobewertungsverfahren in § 89b AO eingeführt. So sollen auf Antrag des Steuerpflichtigen bereits vorab bewertete internationale Sachverhalte im Rahmen einer Außenprüfung nicht mehr geprüft werden. Voraussetzung ist, dass im internationalen Risikobewertungsverfahren das Risiko eines Steuerausfalls als gering eingeschätzt wird.

Ausblick
Zwar handelt es sich bislang lediglich um einen Referentenentwurf des BMF für das Wachstumschancengesetz, das noch durch die parlamentarischen Gremien beschlossen werden muss, es ist aber derzeit davon auszugehen, dass die überwiegenden Vorschläge des Referentenentwurfs gesetzlich umgesetzt werden.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Entwurf für das Wachstumschancengesetz eine Vielzahl von Steuerart übergreifenden Förderungen und Entlastungen vorsieht.
Der Kabinettsbeschluss zum Wachstumschancengesetz wird für Mitte August 2023 erwartet. Die Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag ist für Mitte November 2023 und die Zustimmung im Bundestag für Mitte Dezember 2023 geplant.

Wir werden Sie in den nächsten Wochen über die weitere Entwicklung im Zusammenhang mit dem Wachstumschancengesetz laufend informieren. Sollten Sie bereits jetzt zu einzelnen Aspekten des Wachstumschancengesetzes Fragen oder individuellen Beratungsbedarf haben, so sprechen Sie uns gerne jederzeit an. (THI/KEN/YHE)